Mobile first: Was bedeutet das überhaupt?
Angesichts der Tatsache, dass sich mobile Geräte deutlich besser verkaufen als etwa der gute, alte Desktop-PC und dass Android das verbreitetste Betriebssystem überhaupt ist, scheint es eine gute Idee zu sein, zuerst mobile Apps zu entwickeln. Viele Unternehmen gehen auch exakt auf diese Weise vor: Zuerst wird eine Anwendung in die App Stores gebracht, ein Fokus auf eine traditionelle Web-App erfolgt später (wenn überhaupt). Einige Entwickler gehen auch noch weiter und schießen sich auf genau ein Betriebssystem ein, wobei diese Frage dann meistens nur zwischen Android und iOS gestellt wird.
Dieses Vorgehen erscheint auch logisch: Wenn die meisten meiner Anwender auf Smartphones und vielleicht Tablets unterwegs sind, sollte ich auch genau jene Geräte und damit deren Nutzer zuerst bedienen.
Einen großen Nachteil hat diese Strategie jedoch: Es ist unmöglich, ganz gewöhnlichen Web-Traffic zu generieren. Alle Anwender kommen aus den App Stores, der gesamte Rest des Internets bleibt außen vor – ein großes Problem.
Es läuft nie wirklich „rund“
Ein weiteres Dilemma besteht in der recht abgeriegelten Umgebung, die eine App nun einmal darstellt. Zeigt eine App einen Link an und der Anwender tippt darauf, wird jener Link normalerweise im Browser geöffnet. Der Nutzer wechselt also von der App in einen Browser, öffnet dort den Link oder vielleicht eine Suchmaschine, findet das Ergebnis und wechselt wieder zurück in die App. Das ist alles einfach schrecklich unelegant und schreit nach einer neuen, besseren Lösung.
Einige Entwickler gehen dann einfach den zweigleisigen Weg und bieten Nutzern innerhalb der App an, auf eine Web-Variante zu wechseln. Das ist jedoch der nächste Stolperstein, denn Google hat in einer selbstdurchgeführten Studie bewiesen, dass fast 70 % der Anwender durch diese Aufforderungen weder die App verwenden noch das Web-Angebote wahrnehmen. Es dürfte nur wenige Entwickler geben, die freiwillig auf mehr als zwei Drittel ihrer potenziellen Nutzer verzichten möchten.
Die Progressive Web App: Retter in der Not?
Eine gute Idee, um das Problem zu lösen, besteht in der Verwendung von Progressive Web Apps. Zur Erinnerung: Eine PWA agiert plattformunabhängig und kann einfach im Web bereitgestellt werden. Durch Anpinnen am Startbildschirm des Smartphones erleben Anwender die Nutzung einer PWA praktisch genauso wie eine native App, die explizit für iOS oder Android bereitgestellt wird. Push-Nachrichten werden (zumindest unter Android) ebenfalls unterstützt.
Die Vorteile fallen umfassend aus: Die App kann beispielsweise ganz einfach über jede beliebige Suchmaschine gefunden werden. Der Content lässt sich, ebenso wie ganz normale Webseiten, an die Bedürfnisse von Suchmaschinen optimieren, um so besser gefunden zu werden und mehr Traffic zu generieren. Menschen können den Link zu der App einfach in sozialen Netzwerken teilen, ohne Umwege über Playstore & Co. gehen zu müssen.
„PWA first“ ist somit eine Methode, um mobile Apps ohne Plattform-Lock zu verbreiten oder auf die App Stores von Google und Apple angewiesen zu sein. Wenn man es genau nimmt, könnte man sogar sagen, dass es sich bei PWAs um eine Art Evolution der „Mobile first“-Strategie handelt.
Es gibt nicht wenige Branchenkenner, die schon seit längerer Zeit von einem „Post-App-Zeitalter“ sprechen – vielleicht stecken wir schon mittendrin.
Übrigens: Die beiden unterschiedlichen Ansätze schließen sich nicht gegenseitig aus. Zu einer PWA können Entwickler durchaus auch eine native App als Begleiter bereitstellen, vielleicht, um auf diese Weise Funktionen zu bieten, die sich in einer Web-App (noch) nicht realisieren lassen. Dies ließe sich auch auf eine wenig aufdringliche, elegante Art und Weise umsetzen. („Wir haben bemerkt, dass du unser Angebot jeden Tag nutzt. Wusstest du, dass du dir auch unsere App herunterladen kannst? Probiere es aus!“)
Wann sind PWAs eine gute Idee?
Unternehmen können schon jetzt in vielen unterschiedlichen Szenarien von PWAs profitieren. Eine runde Sache sind diese Anwendungen beispielsweise immer dann, wenn es innerhalb der App Komponenten gibt, die sich gut durch Suchmaschinen indexieren lassen. Das Paradebeispiel dafür sind Nachrichten oder Artikel, nach denen Menschen normalerweise in Suchmaschinen suchen. Anstelle von SpiegelOnline & Co. können die Suchenden dann die App finden.
Ebenfalls praktisch sind PWAs, wenn für den Aufbau eines Nutzerkreises auf Link-Traffic zurückgegriffen werden soll. Erwartet ein Unternehmen beispielsweise, dass ein Großteil der Nutzer vielleicht von Twitter oder Facebook stammt, wäre eine PWA eine gute Lösung. In den Netzwerken lassen sich Links problemlos teilen, und diese Links können dann zur PWA führen und den Nutzer sofort mit einer voll funktionsfähigen App begrüßen.
Eine Überlegung wert sind die Web-Apps auch dann, wenn Sie auf viele Funktionen der nativen Apps gar nicht zugreifen müssen. Bestimmte APIs sind im Web bislang einfach nicht abrufbar (was sich in Zukunft aber ändern wird), weshalb manchmal eine native App leider alternativlos ist. Trifft das jedoch nicht zu, steht dem Umstieg auf eine PWA jedoch nichts im Wege. *Je simpler die App, desto einfacher der Umstieg auf PWA.*
Umstieg wagen: Was soll ich tun?
Kompliziert ist der Schritt eigentlich nicht: Gute Frameworks und Tools bieten schon seit langer Zeit Support für die Entwicklung von PWAs. Es ist also recht einfach, eine PWA zu basteln und diese dann an einen Webhoster wie AWS zu übergeben. Danach können Sie die App auch schon teilen, indem Sie einfach den Link an andere Personen weitergeben.
Wer sich noch nicht ganz sicher ist, könnte über einen Hybrid-Weg nachdenken: Die native App bleibt im Store, aber gleichzeitig wird an der Auslieferung einer Progressive Web App gearbeitet. In diesem Szenario ist es sehr sinnvoll, eine PWA mit einem Framework zu erstellen, dass sowohl hochklassige Android- und iOS-Apps als auch PWAs mit demselben Code erstellen kann. Das spart ungemein viel Arbeit und kann beispielsweise durch die Verwendung von Ionic realisiert werden.
Auf diese Weise würden alle Nutzer zugleich befriedigt werden: Menschen, die auf native Apps schwören, bekommen ihre App aus dem Store und vielleicht einige Funktionen, welche die PWA nicht bietet. Wer das nicht braucht, ruft einfach den Link zur Web-App auf und pinnt ihn an den Startbildschirm. Die Unterschiede hinsichtlich der UI werden am Ende nur marginal ausfallen, unerfahrene Anwender werden diese kleinen Charakteristika nicht einmal bemerken.
Trennen Sie beides strikt, erreichen Sie womöglich das beste Endergebnis für die beiden Lager – aber die Entwicklung wird auch sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen und deutlich teurer sein.
Mobile first: immer die schlechtere Strategie?
Es kann durchaus sein, dass einige Unternehmen davon profitieren, bei nativen Apps zu bleiben. Möglicherweise ergibt eine PWA im Moment einfach überhaupt keinen Sinn – was auch in Ordnung ist. Wir möchten Progressive Web Apps nicht als Heiligen Gral darstellen, der alle Probleme löst, sondern als die in Zukunft wahrscheinlich dominierende Form, um Anwendungen an Nutzer auszuliefern. Ob Sie diese Zukunft jetzt schon einläuten wollen oder erst in zwei Jahren, müssen Sie natürlich selbst entscheiden.
Dass der „Umstieg“ auf PWAs früher oder später komplett erfolgen wird, steht für uns jedoch so gut wie fest. Zu groß sind die Vorteile (sowohl für Entwickler als auch Anwender), zu gering die bislang noch existierenden Nachteile und zu verlockend ist der Gedanke, außerhalb der eingezäunten Umgebungen der App Stores neue, interessierte Kunden zu finden.
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